Wie erleben die geflüchteten Frauen und Männer ihren neuen Alltag in Deutschland? Was verwundert sie? Was ist anders als in ihrer Heimat? Und was ist vielleicht auch ähnlicher als gedacht? Der Blick des anderen kann helfen, das Eigene zu erkennen und sich so auch gegenseitig besser zu verstehen. In loser Reihenfolge wollen wir hier Texte veröffentlichen, in denen geflüchtete Frauen und Männer erzählen, was sie im Alltag in Deutschland erleben. Heute: Die Deutsche Post – oder: Eine zweimonatige Reise durch Deutschland für 45 Euro.
Eine zweimonatige Reise durch Deutschland für 45 Euro
Es ist nicht schwierig ein Paket zu versenden. Es ist einfach. Ist es das? Nein. Nicht, wenn man aus einem Land kommt, in dem man Pakete nicht mit der Post versendet. Wenn man nicht weiß, wie die Deutsche Post funktioniert. Dann kann einiges schiefgehen. Pakete, die innerhalb weniger Tage von A nach B geschickt werden sollten, sind dann monatelang unterwegs. Irgendwo im Nirgendwo. Und niemand kann sagen, wo genau. Und wann genau sie wo wieder ankommen.
Alles beginnt an dem Tag, als eine Freundin ihre drei Koffer von Markgröningen zu ihrem neuen Wohnort schicken will. Sie spricht kein Deutsch, ich schon ein bisschen, außerdem auch ein bisschen Englisch, also begleite ich sie zur Post. Ich frage den Postbeamten, was wir tun müssen und er gibt mir drei Paketmarken, die wir ausfüllen sollen.
In Syrien versenden wir Pakete mit speziellen Postunternehmen, von denen es viele gibt. Wir bringen das Paket in eine der Filialen des gewählten Postunternehmens und nennen dort dem Angestellten den Namen und die Telefonnummer des Empfängers. Gleichzeitig muss ich als Sender dem Empfänger Bescheid geben, dass ein Paket unterwegs ist. Er kann dann einige Tage später in seiner Stadt in das Büro des Postunternehmens gehen und das Paket abholen. Adressen, also Straßennamen, Hausnummern oder Postleitzahlen spielen dabei keine Rolle.
Aber hier in Deutschland ist das anders. Man muss neben dem Namen auch die volle, korrekte Adresse des Empfängers auf die Paketmarke schreiben. Und wenn man hier einen Fehler macht, wie meine Freundin und ich, dann bekommt man ein großes Problem. Wir vergessen, den vollen Namen des Empfängers auf die Marke zu schreiben. Der Postbeamte bemerkt den Fehler nicht. Er gibt uns einen Beleg und versendet die Koffer. Wir denken, es ist alles in Ordnung. Aber nach ein paar Tagen kommen die Koffer zurück. Wir verstehen nicht wieso. Die Verständigung mit dem Paketboten ist schwierig. Wir haben Angst, dass wir etwas falsch machen und das Geld, das wir schon bezahlt haben, verlieren. Also sagen wir ihm, so gut es eben geht, er soll die Koffer wieder mitnehmen. Leider kommen sie trotzdem nie dort an, wo wir sie hingeschickt haben. Meine Freundin ist mittlerweile an ihrem neuen Wohnort und wartet auf ihre Koffer. Wir wissen nicht, wo die Koffer sind. Wir fragen eine deutsche Bekannte nach Hilfe. Sie sagt, sie braucht den Beleg, den uns der Postbeamte gegeben hat.
Glücklicherweise hat meine Freundin ihn aufbewahrt. Mit den Nummern, die darauf zu finden sind, kann man bei der Post nach den Koffern suchen lassen. Es dauert sehr lange, die Koffer zu finden. Wir müssen mehrmals bei der Post anrufen und jedes Mal brauchen wir jemanden, der Deutsch spricht. Es ist kompliziert, weil man eine Vollmacht braucht, wenn man eine Auskunft haben möchte zu den Koffern und man selbst weder der Sender noch der Empfänger ist. Oft kann niemand helfen. Nach ein paar Wochen bekommen wir die Information: die Koffer wurden in ein Lager für verlorene Pakete gebracht. Um sie wieder zu bekommen, müssen wir einen Antrag stellen. Wir brauchen Hilfe bei den Telefonaten und bei diesem Antrag. Es ist schwierig. Schließlich kommt nach fünf Wochen der erste Koffer bei meiner Freundin an. Auf die anderen beiden müssen wir noch warten. Insgesamt dauert es über zwei Monate bis alle drei Koffer bei ihrem Empfänger sind.
T.N., Student aus Homs